Materialien zur Sportpädagogik

"Schulsport ist staatlicher Auftrag!"

Resolution zum Schulsport in Deutschland

1. Vorbemerkungen

Unsere Gesellschaft muß zukunftsfähig werden. Lebensqualität und Lebenszufriedenheit sind zu erhalten und weiterzuentwickeln. Diesen herausfordernden Aufgaben müssen sich insbesondere die staatlichen Bildungsinstitutionen stellen.

Der Schulsport kann dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten, indem er

  • die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung der Kinder und Jugendlichen unterstützt;
  • gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenwirkt und das psychophysische Wohlbefinden von Heranwachsenden fördert;
  • Bewegungs-, Spiel- und Sportaktivitäten als selbstverständliche Elemente alltäglicher Lebensführung vermittelt;
  • die nachwachsenden Generationen zu einer kompetenten und kritischen Teilnahme am gesellschaftlichen Bereich Sport hinführt.

Die besonderen Verpflichtungen und Chancen des Schulsports ergeben sich daraus, daß er alle Schülerinnen und Schüler erreicht.

Umfang und Inhalt des schulischen Sportunterrichts - als Kern des Schulsports - müssen so ausgelegt sein, daß die den staatlichen Bildungsinstitutionen gestellten Aufgaben einer Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung auch realisiert werden können.

 

2. Begründungen

Sport stellt ein Kulturgut moderner Gesellschaften dar, und der Erziehungsauftrag des Schulsystems, nachwachsende Generationen in kulturelle Traditionen einzuführen, gilt ohne Einschränkungen auch für den Schulsport. Er muß die Heranwachsenden zur kompetenten und kritischen Teilnahme am Sport hinführen und sie dazu anregen und anhalten, Bewegungs-, Spiel- und Sportaktivitäten in ihre alltägliche Lebensführung und in ihren Lebenslauf einzubauen.

Schulsport kann einen Beitrag zur Entwicklung von sozialem Verhalten leisten, weil er in vielen Situationen zugleich Lerngelegenheiten zum Umgang mit Regeln, zum organisierten und mit anderen abgestimmten Handeln, zu Kooperation, zu Achtung von Mit- und Gegenspielern, zu fairem Ver- halten sowie zu solidarischem Handeln bietet. Soziales Lernen gewinnt vor allem in einer individualisierten und sich weiter differenzierenden Gesellschaft besondere Bedeutung.

Schulsport wird im Rahmen einer schulischen Gesundheitserziehung immer wichtiger. In Anbetracht des dokumentierten unzureichenden Gesundheitszustandes von Kindern und Jugendlichen und des verbreiteten Medikamenten- und Drogenmißbrauchs muß die Schule mit ihrem Sportunterricht in präventiver Absicht gegensteuern und zu dem hinführen, was man als "alltägliche Diätetik" bezeichnen kann. Sie soll Schülern eine "gesunde" Lebensführung nahebringen, die biologisch vernünftige Ernährung und angemessene Hygiene ebenso einschließt wie ausreichendes körperliches Training.

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ganzheitliche Erziehung, und dieses Recht muß als Bildungsauftrag des Staates durch das staatliche Schulsystem gewährleistet werden. Unter dem pädagogischen Anspruch einer ganzheitlichen Erziehung ist Schule nicht nur für die Köpfe, sondern auch für die Körper, nicht nur für intellektuelle, sondern auch für die motorische Entwicklung verantwortlich.

Ziel des Sportunterrichts ist die Vermittlung von Bewegungs-, Gesundheits- und Sozialkompetenz. Die Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung stellt deshalb ein nicht austauschbares Element im schulischen Erziehungs- und Bildungsprozeß dar.

 

3. Forderungen

Unter Berücksichtigung der Beschlüsse des "Zweiten Aktionsprogramms für den Schulsport" ist folgendes zu fordern:

I. Der Schulsport ist als staatliche Aufgabe zu erhalten und - pädagogisch fundiert - weiterzuentwickeln. Damit unvereinbar ist die Delegierung an außerschulische Einrichtungen.

Das Minimum von drei Stunden Sportunterricht für alle Schülerinnen und Schüler des allgemeinbildenden Schulwesens ist in jedem Falle zu gewährleisten.

Die zügige Einführung einer zusätzlichen täglichen Bewegungszeit in allen Grundschulen (aber nicht nur dort) ist anzustreben.

Ein regelmäßiger Sportunterricht ist auch für die Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen unverzichtbar. Der Sportunterricht an den berufsbildenden Schulen ist sicherzustellen und auszubauen.

Über den obligatorischen Sportunterricht hinaus sind Möglichkeiten zu schaffen und zu erweitern, damit sich Schülerinnen und Schüler an einem vielfältigen außerunterrichtlichen Schulsport (schulische Arbeitsgemeinschaften, Schulsportfeste, schulische Wettkämpfe, Projekte, Fahrten mit sportlichen Schwerpunkten) beteiligen können.

Außerunterrichtliche Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen sind zu fördern. Die bestehenden Kooperationen sind insbesondere in Hinblick auf freizeitorientierte Angebote für alle zu festigen und auszuweiten. Längerfristige Partnerschaften sind wünschenswert. Sie stellen jedoch keinen Ersatz, sondern eine Ergänzung des schulischen Sportunterrichts dar.

Der schulische Sportunterricht muß in den Händen von Sportlehrerinnen und Sportlehrern liegen, die eine dafür erforderliche akademische Berufsqualifikation im Fach Sport/Sportwissenschaft aufweisen können. Eine regelmäßige Fortbildung von Sportlehrerinnen und Sportlehrern ist zu institutionalisieren und auszubauen.

Für die Weiterentwicklung des Schulsports ist die kontinuierliche Einstellung junger Sportlehrerinnen und Sportlehrer sicherzustellen.

Die notwendigen räumlichen und materiellen Rahmenbedingungen für den Schulsport sind bei der Planung, Realisierung und Fortschreibung von schulischen Infrastrukturen zu berücksichtigen.

II. Durchführung einer repräsentativen Untersuchung zur aktuellen Situation des Schulsports in Deutschland.

III. Einberufung eines breiten "Aktionsbündnisses für den Schulsport" unter der Federführung des Deutschen Sportbundes, an dem sich u.a. Schüler/innen, Eltern, Lehrer/innen, Sport- und Erziehungswissenschaftler/innen, die Ärzte-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft beteiligen sollten.

IV. Fortschreibung der Perspektiven für den Schulsport unter Beteiligung der interessierten Institutionen und Verbände.

Die unterzeichnenden Personen setzen sich mit ihren Institutionen, Organisationen und Verbänden nachdrücklich gegenüber Regierungen, Parlamenten sowie Parteien für eine Verbesserung und Weiterentwicklung des Schulsports in Deutschland ein.

Verabschiedet auf der Anhörung zum Schulsport des Deutschen Sportbundes am 16. Juni 1997 in Frankfurt.